Die Abnahme der Leistung ist eine wesentliche Zäsur in der Abwicklung eines Bauvertrags. Gerade bei Bauträgerverträgen im Zusammenhang mit dem Neubau von Eigentumswohnungen führen zahlreiche Probleme immer wieder zu grundlegenden Entscheidungen der Gerichte.
Sachverhalt:
Ein Bauträger errichtet ein Mehrfamilienhaus und verkauft die einzelnen Eigentumswohnungen an unterschiedliche Erwerber. Einer der Erwerber verklagt den Bauträger auf Beseitigung von Stolperkanten und von Mängeln an den Fenstertüren und Außensteckdosen. Der Bauträger beruft sich auch auf die Verjährung der Mängelansprüche. Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums sei gemäß der dafür vorgesehenen Regelung im Bauträgervertrag erfolgt. Die Verjährungszeit sei bei Klageerhebung abgelaufen.
Urteil:
Das Gericht musste hier prüfen, ob die Regelung über die Abnahme des Gemeinschaftseigentums, die im Bauträgervertrag enthalten ist, wirksam ist. Sollte sie unwirksam sein, wäre die Verjährungsfrist der Mängelansprüche nicht in Gang gesetzt worden.
Abnahmeregelung
Die Regelung im Bauträgervertrag über die Abnahme des Gemeinschaftseigentums lautete:
Die Abnahme der Anlagen und Bauteile, die im gemeinschaftlichen Eigentum aller Miteigentümer stehen (gemeinschaftliches Eigentum), erfolgt für die Wohnungseigentümer (Erwerber) durch einen von dem Verwalter zu beauftragenden vereidigten Sachverständigen.
Unwirksamkeit
Ein vereidigter Sachverständiger hatte tatsächlich im Auftrag des Verwalters das gemeinschaftliche Eigentum abgenommen. Das Gericht hält die Regelung im Bauträgervertrag über die Abnahme jedoch für unwirksam. Sie benachteilige die Erwerber in nicht angemessener Weise. Sie nimmt ihnen nämlich die Möglichkeit, selbst festzustellen und zu entscheiden, ob die Leistung des Bauträgers den vertraglichen Vereinbarungen entspricht und technisch in Ordnung ist. Das gilt insbesondere, wenn der Sachverständige durch den Bauträger direkt bestellt wird. Aber auch wenn er, wie hier, durch den Verwalter der Eigentümergemeinschaft beauftragt wird, ist eine Einflussnahme des Bauträgers auf die Feststellungen bei der Abnahme möglich.
Verjährung
Da die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums also nicht wirksam erfolgt sei, habe die Frist für die Verjährung der Gewährleistungsansprüche auch noch nicht begonnen. Der Erwerber könne deshalb auch jetzt noch Ansprüche wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum gegen den Bauträger geltend machen.
(OLG Karlsruhe, Urteil vom 10.04. 2018, 8 U 19/14)
Praxistipp:
Es gibt zahlreiche Urteile von Oberlandesgerichten und des Bundesgerichtshofs, die sich mit der Frage beschäftigen, wie das gemeinschaftliche Eigentum nach der Errichtung einer Wohnungseigentumsanlage abgenommen werden muss bzw. ob die dafür im Erwerbervertrag vorgesehenen Regeln wirksam sind.
Grundsatz und Auswirkungen
Die Gerichte gehen dabei immer von dem Grundsatz des Werkvertragsrechts aus, dass der Erwerber als Vertragspartner des Bauträgers die Leistung abnehmen muss. Das gilt sowohl für das Sondereigentum, also für die Wohnung selbst, als auch für das gemeinschaftliche Eigentum, zu dem auch die Außenanlagen gehören. Alle Regelungen, die dieses grundlegende Recht jedes Erwerbers deutlich einschränken, werden von den Gerichten für unzulässig erklärt. Die Konsequenz einer unwirksamen Abnahme des Gemeinschaftseigentums wird in dem vorgestellten Fall deutlich:
Da die Frist für die Mängelansprüche mit der Abnahme beginnt, führt eine fehlgeschlagene Abnahme dazu, dass die Frist noch nicht zu laufen begonnen hat. Der Bauträger kann sich also trotz Ablauf der Frist nicht sicher sein, dass die Erwerber keine Mängelansprüche mehr geltend machen können.
Keine Abnahme durch Einzug
Da aber üblicherweise der Bauträger davon ausgeht, dass die Abnahme wirksam war, weil sie ja entsprechend seinen vertraglichen Regelungen durchgeführt wurde, lässt er später nicht noch einmal eine wirksame Abnahme durchführen. Deshalb ist es für ihn äußerst problematisch, den Ablauf der Verjährungsfrist exakt zu bestimmen. Der Einzug eines Erwerbers in die Wohnung und auch das bloße Wohnen auch über mehrere Jahre hinweg bedeutet nach Ansicht der Gerichte höchstens die Abnahme des Sondereigentums (= der Wohnung), grundsätzlich aber nicht unbedingt eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den Erwerber. Man muss davon ausgehen, dass der Erwerber, der in der Anlage wohnt, sich überhaupt nicht bewusst ist, dass er damit eventuell zu irgendeinem Zeitpunkt dem Bauträger gegenüber erklärt, er sei mit dem Zustand des Gemeinschaftseigentums, wie es der Bauträger abgeliefert hat, einverstanden.
Bauträger: Abnahme mit jedem Eigentümer
Daher ist jedem Bauträger dringend zu raten, besondere Sorgfalt auf die Abnahmeregeln in seinem Vertrag mit den Erwerbern zu legen. Der sicherste Weg ist, die Abnahme sowohl des Sondereigentums als auch des Gemeinschaftseigentums mit jedem Erwerber direkt durchzuführen. Der Erwerber kann dafür auch Vollmachten an den Verwalter oder einen Sachverständigen geben. Diese Vollmachten müssen aber sozusagen freiwillig erfolgen, sie dürfen nicht bereits im Erwerbervertrag vorgeschrieben sein.
Erwerber: Bestehen unwirksame Abnahmeregelungen?
Aus der Sicht des Erwerbers, der Ansprüche gegen den Bauträger wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum geltend machen möchte, ist durchaus zu empfehlen, sich die Abnahmeregeln im Erwerbervertrag anzusehen. Möglicherweise sind sie unwirksam, sodass die Ansprüche noch nicht verjährt sind.