Eine Eigentümergemeinschaft klagt auf Vorschuss zur Mängelbeseitigung: Mehrheitsbeschluss erforderlich

Sachverhalt:

Eine Eigentümergemeinschaft verklagt den Bauträger auf Zahlung eines Vorschusses zur Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum. Im Prozess gibt die Gemeinschaft an, sie habe die Rechte wegen der Mängel an sich gezogen. Trotz Hinweis des Gerichts legt die Gemeinschaft keinen Nachweis dazu vor.

 

Urteil:

Das Gericht weist die Klage ab. Die Eigentümergemeinschaft ist nicht befugt, Rechte wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum gegenüber dem Bauträger geltend zu machen. Sie hat nicht nachgewiesen, dass die Gemeinschaft Inhaberin der Mängelrechte geworden ist. Dazu ist es erforderlich, dass die Gemeinschaft durch einen Beschluss mit einfacher Mehrheit diese Rechte, die aufgrund der „Kauf“-Verträge nur den einzelnen Eigentümern zustehen, an sich zieht. Die einfache Behauptung, ein solcher Beschluss sei gefasst worden, reicht im Rechtsstreit nicht aus. Das Protokoll der Eigentümerversammlung mit diesem Beschluss oder ein anderer Nachweis über diesen Beschluss hätte vorgelegt werden müssen.

 

Praxistipp:

Die Entscheidung ist richtig. Ansprüche wegen Mängeln eines Bauwerks sind vertragliche Ansprüche. Sie können also nur von dem Vertragspartner desjenigen erhoben werden, der die Arbeiten ausgeführt hat. Ein Bauträger, der Eigentumswohnungen errichtet hat, schließt Verträge mit einzelnen Erwerbern ab, die dann die Eigentümergemeinschaft bilden. Diese Gemeinschaft hat keine Verträge mit dem Bauherrn, sondern nur die einzelnen Mitglieder. Wenn die Gemeinschaft die Mängelansprüche wie z.B. die Zahlung eines Vorschusses für die Mängelbeseitigung selbst geltend machen möchte, muss sie einen Mehrheitsbeschluss fassen, mit dem sie die vertraglichen Mängelansprüche eines Eigentümers/bestimmter Eigentümer an sich zieht.

 

Spannend an der Entscheidung ist auch, dass die Gemeinschaft vor dem Prozess, in dem das Urteil ergangen ist, ein gerichtliches Beweisverfahren durchgeführt hat. Auch dort wurde kein Nachweis für einen Beschluss des An-sich-Ziehens vorgelegt. Die Gemeinschaft könnte jetzt durchaus noch den Beschluss fassen, die Ansprüche an sich zu ziehen. Allerdings könnten die Ansprüche auch schon verjährt sein, da die Gemeinschaft ein Beweisverfahren nicht hätte beantragen dürfen. Damit könnte die Wirkung des Beweisverfahrens, die Verjährung der Ansprüche zu hemmen, entfallen sein.

 

LG Karlsruhe, Urteil vom 20.07.2018, AZ: 6  O 320/17

Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den Verwalter

Die Abnahme der Leistung ist eine wesentliche Zäsur in der Abwicklung eines Bauvertrags. Gerade bei Bauträgerverträgen im Zusammenhang mit dem Neubau von Eigentumswohnungen führen zahlreiche Probleme immer wieder zu grundlegenden Entscheidungen der Gerichte.

Sachverhalt:
Ein Bauträger errichtet ein Mehrfamilienhaus und verkauft die einzelnen Eigentumswohnungen an unterschiedliche Erwerber. Einer der Erwerber verklagt den Bauträger auf Beseitigung von Stolperkanten und von Mängeln an den Fenstertüren und Außensteckdosen. Der Bauträger beruft sich auch auf die Verjährung der Mängelansprüche. Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums sei gemäß der dafür vorgesehenen Regelung im Bauträgervertrag erfolgt. Die Verjährungszeit sei bei Klageerhebung abgelaufen.

Urteil:
Das Gericht musste hier prüfen, ob die Regelung über die Abnahme des Gemeinschaftseigentums, die im Bauträgervertrag enthalten ist, wirksam ist. Sollte sie unwirksam sein, wäre die Verjährungsfrist der Mängelansprüche nicht in Gang gesetzt worden.

 

Abnahmeregelung

Die Regelung im Bauträgervertrag über die Abnahme des Gemeinschaftseigentums lautete:

Die Abnahme der Anlagen und Bauteile, die im gemeinschaftlichen Eigentum aller Miteigentümer stehen (gemeinschaftliches Eigentum), erfolgt für die Wohnungseigentümer (Erwerber) durch einen von dem Verwalter zu beauftragenden vereidigten Sachverständigen.

 

Unwirksamkeit

Ein vereidigter Sachverständiger hatte tatsächlich im Auftrag des Verwalters das gemeinschaftliche Eigentum abgenommen. Das Gericht hält die Regelung im Bauträgervertrag über die Abnahme jedoch für unwirksam. Sie benachteilige die Erwerber in nicht angemessener Weise. Sie nimmt ihnen nämlich die Möglichkeit, selbst festzustellen und zu entscheiden, ob die Leistung des Bauträgers den vertraglichen Vereinbarungen entspricht und technisch in Ordnung ist. Das gilt insbesondere, wenn der Sachverständige durch den Bauträger direkt bestellt wird. Aber auch wenn er, wie hier, durch den Verwalter der Eigentümergemeinschaft beauftragt wird, ist eine Einflussnahme des Bauträgers auf die Feststellungen bei der Abnahme möglich.

 

Verjährung

Da die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums also nicht wirksam erfolgt sei, habe die Frist für die Verjährung der Gewährleistungsansprüche auch noch nicht begonnen. Der Erwerber könne deshalb auch jetzt noch Ansprüche wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum gegen den Bauträger geltend machen.

(OLG Karlsruhe, Urteil vom 10.04. 2018, 8 U 19/14)

 

Praxistipp:

Es gibt zahlreiche Urteile von Oberlandesgerichten und des Bundesgerichtshofs, die sich mit der Frage beschäftigen, wie das gemeinschaftliche Eigentum nach der Errichtung einer Wohnungseigentumsanlage abgenommen werden muss bzw. ob die dafür im Erwerbervertrag vorgesehenen Regeln wirksam sind.

 

Grundsatz und Auswirkungen

Die Gerichte gehen dabei immer von dem Grundsatz des Werkvertragsrechts aus, dass der Erwerber als Vertragspartner des Bauträgers die Leistung abnehmen muss. Das gilt sowohl für das Sondereigentum, also für die Wohnung selbst, als auch für das gemeinschaftliche Eigentum, zu dem auch die Außenanlagen gehören. Alle Regelungen, die dieses grundlegende Recht jedes Erwerbers deutlich einschränken, werden von den Gerichten für unzulässig erklärt. Die Konsequenz einer unwirksamen Abnahme des Gemeinschaftseigentums wird in dem vorgestellten Fall deutlich:

Da die Frist für die Mängelansprüche mit der Abnahme beginnt, führt eine fehlgeschlagene Abnahme dazu, dass die Frist noch nicht zu laufen begonnen hat. Der Bauträger kann sich also trotz Ablauf der Frist nicht sicher sein, dass die Erwerber keine Mängelansprüche mehr geltend machen können.

 

Keine Abnahme durch Einzug

Da aber üblicherweise der Bauträger davon ausgeht, dass die Abnahme wirksam war, weil sie ja entsprechend seinen vertraglichen Regelungen durchgeführt wurde, lässt er später nicht noch einmal eine wirksame Abnahme durchführen. Deshalb ist es für ihn äußerst problematisch, den Ablauf der Verjährungsfrist exakt zu bestimmen. Der Einzug eines Erwerbers in die Wohnung und auch das bloße Wohnen auch über mehrere Jahre hinweg bedeutet nach Ansicht der Gerichte höchstens die Abnahme des Sondereigentums (= der Wohnung), grundsätzlich aber nicht unbedingt eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den Erwerber. Man muss davon ausgehen, dass der Erwerber, der in der Anlage wohnt, sich überhaupt nicht bewusst ist, dass er damit eventuell zu irgendeinem Zeitpunkt dem Bauträger gegenüber erklärt, er sei mit dem Zustand des Gemeinschaftseigentums, wie es der Bauträger abgeliefert hat, einverstanden.

 

Bauträger: Abnahme mit jedem Eigentümer

Daher ist jedem Bauträger dringend zu raten, besondere Sorgfalt auf die Abnahmeregeln in seinem Vertrag mit den Erwerbern zu legen. Der sicherste Weg ist, die Abnahme sowohl des Sondereigentums als auch des Gemeinschaftseigentums mit jedem Erwerber direkt durchzuführen. Der Erwerber kann dafür auch Vollmachten an den Verwalter oder einen Sachverständigen geben. Diese Vollmachten müssen aber sozusagen freiwillig erfolgen, sie dürfen nicht bereits im Erwerbervertrag vorgeschrieben sein.

 

Erwerber: Bestehen unwirksame Abnahmeregelungen?

Aus der Sicht des Erwerbers, der Ansprüche gegen den Bauträger wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum geltend machen möchte, ist durchaus zu empfehlen, sich die Abnahmeregeln im Erwerbervertrag anzusehen. Möglicherweise sind sie unwirksam, sodass die Ansprüche noch nicht verjährt sind.

Voraussetzungen für eine Abstimmung nach der Subtraktionsmethode

Grundlage:
Der Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft darf das Ergebnis einer Abstimmung in einer Eigentümerversammlung auch nach der so genannten Subtraktionsmethode ermitteln: Er zählt die Nein-Stimmen und die Enthaltungen. Die Ja-Stimmen ergeben sich dann aus der Subtraktion dieser Zahl von den Gesamtstimmen in der Eigentümerversammlung. Diese Methode ist in der Regel einfacher weil weniger zeitaufwändig als das Zählen der Ja-Stimmen.

Sachverhalt:
Das AG Dortmund hatte über die Wirksamkeit der Abstimmung in einer Versammlung zu entscheiden, die sehr chaotisch und teilweise tumultartig ablief. Der Verwalter hatte keine Kontrolle, wer von den ursprünglich anwesenden Eigentümern endgültig gegangen war, wer seine Stimme weiter gegeben hatte, wer sich außerhalb des Saales befand und wer von diesen Personen überhaupt die Durchführung der Abstimmung mitbekommen hatte. Trotzdem ermittelte er das Abstimmungsergebnis durch die Subtraktionsmethode.

Das AG erkannte auf Unwirksamkeit der Abstimmung wegen Verstoßes gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung. Der Ablauf der Versammlung war nicht geeignet, eine sichere Erfassung der Ja-Stimmen zu gewährleisten. Der Verwalter durfte nicht davon ausgehen, dass alle Eigentümer, die sich nicht bei nein oder Enthaltung gemeldet hatten, mit ja stimmen wollten. Daher führte die rein rechnerische Ermittlung der Ja-Stimmen zu einem falschen Ergebnis.

Praxishinweis:
Der Verwalter muss bei Anwendung der Subtraktionsmethode vorher organisatorisch sicherstellen, dass er erfasst hat, wieviele Eigentümer zum Zeitpunkt der Abstimmung anwesend und/oder vertreten sind. Dazu muss er z.B. die Anwesenheitsliste sorgfältig führen, ständig kontrollieren und fortschreiben. Sinnvoll ist es auch, ein vorherige Probeabstimmung durchzuführen, um zu ermitteln, ob klare Verhältnisse gegeben sind. Bei unklarer Meinungs- und Abstimmungslage sowie schwierigem Verlauf der Versammlung bzw. der Diskussion einem Tagesordnungspunkt sollte der Verwalter besser auf die Anwendung der Subtraktionsmethode verzichten. Einfachheit und Schnelligkeit der Abstimmung sollte in diesen Fällen nicht Vordergrund stehen, sondern die Sicherheit des Abstimmungsergebnisses.

 

(AG Dortmund, Urteil vom 13. April 2010/512 C 39/08)