Verwalter verkündet Beschluss über bauliche Veränderung,…

… der mit einfacher Mehrheit gefasst wurde: Schadenersatz der Eigentümergemeinschaft wegen Pflichtverletzung des Verwalters?

Sachverhalt:
In einer Eigentümerversammlung hat die einfache Mehrheit der Eigentümer eine massive bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums durch einen Eigentümer genehmigt. Ein Eigentümer, der dagegen gestimmt hat, erhebt die Anfechtungsklage. Dieser Rechtsstreit endet in der Berufung durch eine übereinstimmende Erledigungserklärung. Anschließend verlangen die Kläger des vorliegenden Rechtsstreits, dass der Verwalter diejenigen Kosten erstattet, die ihnen im Anfechtungsverfahren entstanden sind. Sie meinen, der Verwalter hätte den Beschluss nicht verkünden dürfen, da er nur mit einfacher Mehrheit gefasst worden ist.

Entscheidung:
Vorab zur Klarstellung, die zum Verständnis der Entscheidung beitragen kann:

Der BGH, dessen Urteil hier dargestellt wird, hatte also nicht darüber zu entscheiden, mit welcher Mehrheit ein Beschluss über eine bauliche Veränderung gefasst werden muss. Vielmehr ging es darum, ob der Verwalter die Verfahrenskosten, die den beklagten Eigentümern im Anfechtungsverfahren entstanden sind, als Schadenersatz ausgleichen muss.

Voraussetzungen für Beschluss über bauliche Veränderungen
In § 22 Abs. 1 WEG ist geregelt, dass bauliche Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums beschlossen werden können, wenn jeder Wohnungseigentümer zustimmt, dessen Rechte über das normale Maß hinaus (§ 14 Nr. 1 WEG) beeinträchtigt werden.

Einfache Mehrheit
Das WEG verlangt für diesen Beschluss keine spezielle Mehrheit. Daher ist er mit der üblichen einfachen Mehrheit zu fassen (§ 21 Abs. 3 WEG). Dabei dürfen auch die nicht beeinträchtigten Wohnungseigentümer mitstimmen.

Zustimmung der beeinträchtigten Eigentümer
Außer dieser einfachen Mehrheit ist für einen Beschluss über eine bauliche Veränderung in § 22 Abs. 1 WEG festgelegt, dass diejenigen Wohnungseigentümer zustimmen müssen, die durch die bauliche Veränderung über das normale Maß hinaus beeinträchtigt werden. Wenn nicht alle beeinträchtigten Eigentümer der baulichen Veränderung zustimmen, ist ein trotzdem verkündeter Beschluss (nur) rechtswidrig. Wird er nicht angefochten, bleibt er nach Ablauf der Anfechtungsfrist vollständig wirksam. Er ist also nicht nichtig, sondern muss aktiv durch eine gerichtliche Klage beseitigt werden.

Pflichtverstoß des Verwalters
Mindestens ein Eigentümer, der über das normale Maß hinaus beeinträchtigt wäre, hat hier der baulichen Veränderung nicht zugestimmt. Daher war der Beschluss rechtswidrig. Der Verwalter hat ihn trotzdem verkündet. Der BGH, der über den Schadensersatzanspruch gegen den Verwalter zu entscheiden hatte, musste daher prüfen, ob dem Verwalter im Zusammenhang mit der Abstimmung über die bauliche Veränderung ein Pflichtverstoß vorzuwerfen ist. Sollte das der Fall sein, wäre er zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet.

Zustimmung gemäß § 22 Abs. 1 WEG
Der BGH entscheidet die bisher strittige Rechtsfrage, was unter der „Zustimmung“ in § 22 Abs. 1 WEG zu verstehen ist. Er ordnet das Zustimmungserfordernis nicht als formale Voraussetzung für die Beschlussfassung ein. Nach seiner Auffassung ist die Zustimmung aller über das normale Maß hinaus beeinträchtigten Wohnungseigentümer nicht Voraussetzung, dass eine Beschlussfassung überhaupt erst erfolgen kann. Vielmehr handelt es sich um eine „besondere Vorgabe für die ordnungsgemäße Verwaltung“. Ob ein Beschluss den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht, ist also nicht Voraussetzung für die Beschlussfassung selbst; die Beschlussfassung kann daher auch erfolgen, wenn nicht alle Zustimmungen vorliegen, die gemäß § 22 Abs. 1 WEG erforderlich sind. Vielmehr wird diese Frage erst in einem eventuellen Anfechtungsverfahren nach Beschlussfassung geklärt. Wenn der Beschluss nicht die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung einhält, wird er vom Gericht für ungültig erklärt. Nach dem BGH muss bzw. darf der Verwalter also die in § 22 Abs. 1 WEG festgelegte Zustimmung aller Eigentümer, die über das normale Maß hinaus beeinträchtigt sind, bei der Auszählung der Stimmen gar nicht berücksichtigen. Vielmehr muss der Verwalter, wie der BGH ausdrücklich feststellt, den Beschluss über die bauliche Veränderung verkünden, wenn eine einfache Mehrheit der Eigentümer dem Antrag zugestimmt hat.

Das bedeutet, dass der Verwalter im vorliegenden Fall nicht pflichtwidrig gehandelt hat, als er das Zustandekommen des Beschlusses mit einfacher Mehrheit in der Versammlung festgestellt hat.

Hinweispflichten des Verwalters
Der BGH erlegt dem Verwalter in diesem Zusammenhang jedoch umfangreiche Pflichten auf. Hinsichtlich einer baulichen Veränderung muss er die Eigentümer darüber aufklären, welche Eigentümer ihre Zustimmung erteilen müssen, weil sie über das normale Maß hinaus beeinträchtigt sind. Er muss sie anschließend darauf hinweisen, dass ein Anfechtungsrisiko besteht, wenn sie mit einfacher Mehrheit die bauliche Veränderung genehmigen, ohne dass alle beeinträchtigten Eigentümer zugestimmt haben. Die Eigentümer tragen die Verantwortung für den Inhalt der Beschlüsse und dürfen deshalb selbstverständlich bei der Beschlussfassung auch das Risiko einer Anfechtung eingehen. Dazu muss ihnen das Risiko aber vollständig und klar bekannt sein. Die Darstellung dieses Anfechtungsrisikos ist Aufgabe des Verwalters.

Wenn der Verwalter diese Aufklärung schuldhaft nicht gibt, verstößt er gegen elementare Pflichten aus dem Verwaltervertrag. Deshalb ist er in diesem Fall zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einzelnen Eigentümern durch seine pflichtwidrige Handlung entstanden ist.

Offensichtlich falsche Hinweise des Verwalters
Der BGH weist aber auch ganz deutlich darauf hin, dass der Verwalter nur verpflichtet ist, die Zustimmungserfordernis im Rahmen einer baulichen Veränderung sehr sorgfältig zu prüfen. Wenn er nach dieser Prüfung zu einem Ergebnis kommt, dass nicht klar, eindeutig und leicht erkennbar falsch ist, trifft ihn kein Verschulden. Damit muss er auch keinen Schadenersatz leisten.

Im vorliegenden Fall geht der BGH nach den Feststellungen der vorherigen Instanzen davon aus, dass der Verwalter die Eigentümer vor der Abstimmung umfangreich über die Rechtslage, die Zustimmungsnotwendigkeiten und die Anfechtungsrisiken hingewiesen hat. Daher wird die Klage gegen den Verwalter auf Schadenersatz abgewiesen.

(BGH, Urteil vom 29.05.2020; AZ: V ZR 141/19)

 

Praxistipps:

1.
Der BGH betont in seiner Entscheidung, dass die Frage, welcher Eigentümer durch eine bauliche Veränderung über das normale Maß hinaus beeinträchtigt wird, oft schwierig zu beantworten ist. Der Verwalter bleibt dennoch verpflichtet, die rechtliche Problematik umfassend und intensiv zu prüfen und den Eigentümern in der Versammlung die notwendigen Hinweise zu geben, auch wenn sie rechtliche Ausführungen erfordern und enthalten. Diese Leistung gehört zum „Kerngeschäft eines Berufsverwalters.“

Jedem Verwalter ist also auch aus diesem Gesichtspunkt dringend zu raten, sich fortzubilden, um immer auf dem aktuellen Stand der rechtlichen Entwicklung zu bleiben.

2.
In dem Urteil gibt der BGH noch einen Vorschlag, wie der Verwalter in der Versammlung mit dem Zustimmungserfordernis der betroffenen Eigentümer umgehen kann. Er entwickelt dazu ein zweistufiges oder ein einstufiges Vorgehen.

Bei dem zweistufigen Vorgehen fragt der Verwalter vor der Abstimmung über die bauliche Veränderung ab, welche der anwesenden Eigentümer die nach § 22 Abs. 1 WEG erforderliche Zustimmung erteilen. Wenn nicht alle Zustimmungen, die benötigt werden, vorliegen, könnte er die Abstimmung absagen.

Das einstufige Vorgehen bedeutet, der Verwalter lässt nur über den Beschluss abstimmen. Wenn er anschließend der Meinung ist, den Beschluss trotz der erforderlichen einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen nicht verkünden zu können, weil nach seiner Auffassung die Zustimmung betroffener Eigentümer fehlt, darf er nicht feststellen, dass der Beschluss nicht zustande gekommen ist. Vielmehr kann er per Geschäftsordnungsbeschluss eine Weisung der Wohnungseigentümer einholen, den Beschluss aufgrund der abgegebenen einfachen Mehrheit der Stimmen zu verkünden. Die Wohnungseigentümer müssen dann für sich entscheiden, ob sie das klare Anfechtungsrisiko wegen des Fehlens einer oder mehrerer Zustimmungen tragen wollen. Wenn nicht, sollten die Eigentümer den Verwalter anweisen, den Beschluss nicht zu verkünden. Der Verwalter muss die eingeholte Anweisung umsetzen.

Auch mit diesem Vorgehen vermeidet der Verwalter Schadensersatzansprüche, vorausgesetzt, dass er die Eigentümer ordnungsgemäß, klar und umfassend über die Rechtslage und die Anfechtungsrisiken aufgeklärt hat.

Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums: Pflichten des WEG-Verwalters

Der BGH konkretisiert die Pflichten des WEG-Verwalters bei Maßnahmen der Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums.

Sachverhalt:

Ein Bauträger saniert 2006 ein Mehrfamilienhaus und verkauft die neugebildeten Eigentumswohnungen. Verwalter der WEG wurde der Geschäftsführer der Bauträgerin. Vor Ablauf der Gewährleistung beauftragt die Gemeinschaft einen Sachverständigen. Dieser stellt Feuchtigkeitsschäden in der Wohnung Nr. 1 fest und empfiehlt dringend weitere Untersuchungen zur Feststellung der Ursachen. Ungefähr ein Jahr später teilt die Bauträgerin dem Verwalter mit, die Mängel seien durch das Aufbringen eines neuen Putzes behoben worden. In der Wohnung Nr. 1 tritt weiterhin Feuchtigkeit auf. Der Eigentümer der Wohnung beauftragt selbst einen Sachverständigen. Der stellt die Unbewohnbarkeit der Wohnung fest. Daraufhin wird der Verwalter abberufen.

Der Eigentümer der Wohnung Nr. 1 verklagt den ehemaligen Verwalter auf Schadenersatz wegen der Schäden an seinem Eigentum durch die Feuchtigkeit und wegen der Kosten für eine Ersatzwohnung. Außerdem verlangt er die Erstattung der Kosten für den Sachverständigen.

 

Urteil:

Erst der BGH spricht dem Eigentümer grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch gegen den Verwalter zu. Der Verwalter hat gegen seine Pflichten verstoßen.

 

Erforschung der Schadensursache

Nach dem Gutachten des ersten Sachverständigen, das der Verwalter aufgrund eines Beschlusses der Gemeinschaft noch vor Ablauf der Gewährleistungsfrist eingeholt hat, hätte der Verwalter darauf hinwirken müssen, dass die Eigentümergemeinschaft einen weiteren Beschluss fasst. Der Beschluss hätte den Verwalter anweisen müssen, die empfohlenen weiteren Untersuchungen durchführen zu lassen.

 

Unterrichtung und Aufklärung

Der BGH verweist auf § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG. Darin ist geregelt, dass der Verwalter die „für die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Maßnahmen zu treffen“ hat. Er verweist auch auf § 21 Abs. 1 und 5 Nr. 2 WEG. Diese Vorschriften geben den Wohnungseigentümern die vorrangige Zuständigkeit und Entscheidungskompetenz für die Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums. Daher darf oder muss der Verwalter bei einer Instandhaltungsmaßnahme, die weder dringlich noch eine laufende Maßnahme ist, ohne einen entsprechenden Beschluss der Eigentümer die Maßnahme nicht ergreifen. Er muss aber die Eigentümer umfassend unterrichten und aufklären. Nur dann sind sie in der Lage, einen sachgerechten Beschluss zu fassen, wie sie mit ihrem Eigentum weiter umgehen wollen.

 

Handlungsoptionen

Zu der notwendigen umfassenden Unterrichtung und Aufklärung gehört auch, dass der Verwalter verschiedene Handlungsoptionen darstellt und erläutert. Denn er muss davon ausgehen, dass die Eigentümer nicht über das notwendige technische, bauliche und rechtliche Fachwissen verfügen.

 

Gewährleistungsansprüche

In diesem Zusammenhang muss der Verwalter die Eigentümer auch darauf hinweisen, dass noch Gewährleistungsansprüche gegen ausführende Unternehmen (Bauträger, Handwerker etc.) bestehen. Er muss unbedingt auch darauf hinweisen, falls die Verjährung dieser Ansprüche droht.

Diese Pflicht trifft auch den Verwalter, der mit dem Bauträger eng verbunden war oder noch ist. Der BGH erklärt ausdrücklich, dass der Verwalter seinen Interessenkonflikt, der sich aus seiner Verbindung mit dem Bauträger ergibt, nicht einseitig zulasten der Eigentümergemeinschaft auflösen darf. Auch in diesem Fall muss er die Eigentümer „objektiv nach bestem Wissen und Gewissen“ über die Mängel und eventuelle Gewährleistungsansprüche informieren.

 

Überprüfung der Mängelbeseitigung

Der BGH sieht eine weitere gravierende Pflichtverletzung des Verwalters darin, dass er die Mitteilung des Bauträgers, die Mängel seien beseitigt, unkontrolliert entgegengenommen hat. In diesem Zusammenhang treffen ihn umfangreiche Pflichten. So muss er prüfen, ob die Angabe der Bauträgerin tatsächlich stimmte, die Mängel seien vollständig beseitigt worden. Der BGH formuliert dazu in seinem Urteil wörtlich:

Teilt der Bauträger mit, einen Mangel beseitigt zu haben, darf sich der Verwalter nicht in jedem Fall darauf beschränken, diese Mitteilung zur Kenntnis zu nehmen und an die Wohnungseigentümer weiterzuleiten. Hat der Verwalter Anhaltspunkte dafür, dass ein Mangel am Gemeinschaftseigentum entgegen einer Erklärung des Bauträgers nicht beseitigt ist, muss er die Wohnungseigentümer hierüber unterrichten und auf einen sachgerechten Beschluss über das weitere Vorgehen hinwirken.

 

Aufgaben des Verwalters

Der BGH sieht den Verwalter in dem konkreten Fall verpflichtet zu kontrollieren, ob die Bauträgerin den Mangel am Gemeinschaftseigentum, wie von ihm behauptet, tatsächlich beseitigt hat. Der Verwalter durfte der Angabe der Bauträgerin, Ursache der Feuchtigkeitsschäden sei ein falscher Putz gewesen, nicht vertrauen. Er wusste, dass der Sachverständige in dem Gutachten, das er selbst vor Ablauf der Gewährleistungszeit auf Beschluss der Eigentümergemeinschaft eingeholt hat, dringend weiterführende Untersuchungen hinsichtlich der Feuchtigkeitsschäden empfohlen hatte. Der Verwalter musste daraus entnehmen, dass möglicherweise tiefergehende Ursachen für die Feuchtigkeitsschäden in der Wohnung Nr. 1 verantwortlich sind. Auch wenn die Fachfirma, die die Bauträgerin mit der Mängelbeseitigung angeblich beauftragt hatte, einen falschen Putz als Ursache der Feuchtigkeit angegeben haben sollte, durfte der Verwalter darauf nicht vertrauen. Denn ihm fehlte eine eindeutige Mitteilung der Bauträgerin, dass sie oder das von ihr beauftragte Fachunternehmen die notwendigen tiefergehenden Untersuchungen durchgeführt hatten.

In dieser Situation hätte der Verwalter die Eigentümer jedenfalls darüber informieren müssen, dass er keine Kenntnis darüber hat, ob die vom Sachverständigen als dringend angesehenen weiteren Untersuchungen zur Ursache der Feuchtigkeitseintritt durchgeführt worden sind. Der Verwalter hätte zu einer Eigentümerversammlung einladen müssen, um die notwendigen weiteren Beschlüsse zu fassen. In der Versammlung hätte er den Eigentümern unter Berücksichtigung des Sachverständigengutachtens verschiedene Handlungsoptionen erklären müssen.

 

Kenntnis der Eigentümer

Nach der Auffassung des BGH darf der Verwalter seine Pflichten nicht vernachlässigen, weil er meint, die Eigentümer seien über den Stand der Dinge informiert und könnten und müssten deshalb selbst weitere Maßnahmen treffen. Entscheidend ist für den BGH nicht die (potentielle) Kenntnis der Wohnungseigentümer von den Tatsachen, aus denen sich die Anhaltspunkte für das Fortbestehen des Mangels ergaben. Denn es ist nicht Aufgabe der einzelnen Wohnungseigentümer, sondern Aufgabe des Verwalters zu überprüfen, ob sämtliche in einem Gutachten festgestellten Mängel durch die Bauträgerin ihre Ankündigung entsprechend beseitigt wurden. Die Wohnungseigentümer dürfen sich generell – und durften sich auch hier – darauf verlassen, dass der Verwalter diese Überprüfung vornimmt, sie auf Anhaltspunkte für ein mögliches Fortbestehen eines Mangels hinweist und die Handlungsoptionen für das weitere Vorgehen aufzeigt.

(BGH, Urteil vom 19.07.2019, V ZR 75/18)

 

Praxistipps:

Pflichten des Verwalters
Der BGH entwickelt in seinem Urteil folgerichtig die umfangreichen Pflichten des WEG-Verwalters im Rahmen einer Instandsetzungsmaßnahme des Gemeinschaftseigentums. Daraus lassen sich folgende Einzelschritte ableiten:

— Der Verwalter muss dafür sorgen, dass die Eigentümer die notwendigen Beschlüsse über Maßnahmen zur Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums treffen. Diese Beschlüsse muss der Verwalter anschließend umsetzen.

— Vor der Beschlussfassung muss der Verwalter deshalb die Eigentümer über Schäden oder Mängel des Gemeinschaftseigentums informieren.

— Zu den notwendigen Informationen, die der Verwalter den Eigentümern vor einer Beschlussfassung geben muss, gehören auch Hinweise auf die einschlägigen gesetzlichen Regelungen wie zum Beispiel die Energieeinsparverordnung.

— Vor der Beschlussfassung muss der Verwalter Erläuterungen über die zu beachtenden Regeln des WEG geben. Dazu gehören die Angaben zu den notwendigen Beschlussmehrheiten, zur Finanzierung der Maßnahme sowie zur Art und Weise der Verteilung der Kosten auf die Eigentümer (Umlageschlüssel).

— Bei klar erkennbaren Mängeln muss der Verwalter mindestens drei inhaltlich vergleichbare Angebote vorlegen.

— Vor der Beschlussfassung muss der Verwalter die regelmäßig gegebenen unterschiedlichen Handlungsoptionen darstellen.

— Der Verwalter muss die Durchführung der beschlossenen Instandhaltungsmaßnahme überwachen. Dabei muss er prüfen, ob die vertraglich vereinbarten Leistungen erbracht sind. Er muss prüfen, ob die Rechnungen, die das ausführende Unternehmen stellt, gerechtfertigt sind. Dabei muss er erkennbare Mängel berücksichtigen.

— Wenn der Verwalter feststellt, dass beauftragte Arbeiten nicht erledigt sind, muss er veranlassen, dass sie vollständig erbracht werden.

 

Unwirksame AGB
In dem Rechtsstreit berief sich der Verwalter auch auf die Klausel in seinem Vertrag mit der Eigentümergemeinschaft, nach der Schadensersatzansprüche der Eigentümer gegen ihn nur innerhalb von zwei Jahren ab Entstehung der Ansprüche geltend gemacht werden könnten. Diese Frist sei schon vor Erhebung der Klage abgelaufen. Nach Auffassung des BGH ist diese Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam. Sie führe nämlich dazu, dass die Haftung das Verwalters auch für Verletzungen des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit oder für grob fahrlässig begangene Pflichtverletzungen erleichtert wird. Derartige Haftungserleichterungen sind gemäß §§ 309 Nr. 7 a und b, 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

Erfolgreiche Anfechtung der Verwalterwahl ohne Vergleichsangebote

Sachverhalt:

Die T. GmbH ist Verwalterin einer WEG. Ihre Einladung zur Eigentümerversammlung enthält folgenden TOP:

Bestellung der T. GmbH zur Verwalterin der Wohnanlage für den Zeitraum …

In der Eigentümerversammlung teilt der Beirat mit, er habe zur Einsicht zwei weitere Angebote von potentiellen Verwaltern mitgebracht. Deren geforderte Vergütung liege über dem Betrag, den die bisherige Verwaltung verlange. Die Eigentümer entscheiden sich mehrheitlich für die (bisherige) T. GmbH. Einige Eigentümer fechten den Beschluss an.

 

Urteil:

Der BGH hebt den Beschluss auf, da er nicht der ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht.

Zwar wurden die erforderlichen drei Angebote eingeholt. Aber speziell die beiden alternativen Angebote wurden erst in der Eigentümerversammlung offengelegt. Damit fehlte den Eigentümern die notwendige Grundlage, um zu einer abgewogenen Entscheidung zu kommen. Die Eigentümer müssen bei einer derart wichtigen Abstimmung wie der Verwalterbestellung die Möglichkeit haben, sich mindestens zwei Wochen vor der Versammlung mit den Verwalter-Kandidaten zu beschäftigen. Daher benötigen sie deren Namen sowie die wesentlichen Eckdaten ihrer Angebote. Sie müssen die Vergütung und die Leistungen der Verwalter vergleichen können. Wenn nicht spätestens mit der Einladung zur Eigentümerversammlung die Vertragsangebote aller Kandidaten vorgelegt werden, müssen sie auf Anforderung eines Eigentümers schon vor der Versammlung an alle übermittelt werden. Wenn die Informationen und Angebote erst in der Eigentümerversammlung vorgelegt werden, fehlt die notwendige Zeit zur Prüfung und zur Einholung sonstiger Informationen über die zur Wahl stehenden Verwaltungen.

Daher verstößt der Beschluss gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung. Deshalb wurde der Anfechtungsklage stattgegeben und der Beschluss aufgehoben.

(BGH, Urteil vom 24.01.2020; V ZR 110/19)

 

Praxistipps

1.
Die vom BGH aufgestellten Grundsätze sind auch bei anderen wichtigen Beschlüssen zu berücksichtigen. So müssen die Jahresabrechnung und der Wirtschaftsplan spätestens mit der Einladung verschickt werden. Auch Beschlüsse über umfangreiche Sanierungsmaßnahmen und größere Sonderumlagen können erfolgreich angefochten werden, wenn die Grundlagen dafür und Informationen darüber nicht deutlich vor der Versammlung übersandt werden.

2.
Wenn sich nur der bisherige Verwalter zur Wahl stellt, wenn in der Eigentümerversammlung also nur über seine Wiederwahl beschlossen werden soll, sind keine weiteren Angebote einzuholen und daher auch nicht vorzulegen.

3.
Der Fall bietet auch Anlass für die Frage, ob der Beschluss, einen der Alternativkandidaten zu wählen, erfolgreich angefochten werden könnte.

In § 23 Abs. 2 WEG ist festgelegt, dass es zur Gültigkeit eines Beschlusses erforderlich ist, dass in der Einladung zur Eigentümerversammlung benannt wird, worüber beschlossen werden soll. Damit sollen die Eigentümer die Möglichkeit haben sich sachgerecht auf die Beschlussfassung vorzubereiten. Dazu müssen sie wissen, über welche Themen tatsächlich und rechtlich besprochen und beschlossen werden sollen. Denn die Eigentümer müssen auch die Auswirkungen der vorgesehenen Beschlüsse auf die Gemeinschaft und auf sich selbst ermessen können.

Laut  der Einladung im vorliegenden Fall sollte (nur) über die Bestellung des bisherigen Verwalters abgestimmt werden. Von anderen Kandidaten war dort nicht die Rede. Man kann deshalb erhebliche Zweifel haben, ob die Eigentümer bei dieser konkreten Formulierung der Einladung damit rechnen mussten, dass weitere Angebote vorliegen und zur Abstimmung gestellt werden. Wäre also einer der anderen Kandidaten gewählt worden, hätte der Beschluss nach meiner Überzeugung durchaus erfolgreich angefochten werden können.

 

Faktisches Sondernutzungsrecht durch Beschluss möglich?

Sachverhalt:

In der Eigentümerversammlung einer WEG wird folgender Beschluss gefasst:

„Zu Punkt 4 („Bauliche Veränderung – Schuppenaufbau im Gemeinschaftseigentum“) wurde beschlossen: Die Eigentümer D haben im Garten auf der Gemeinschaftsfläche (kein Sondernutzungsrecht) einen Holzschuppen aufgebaut, um ihre Gegenstände unterzustellen. Die Gemeinschaft genehmigt die o. g. bauliche Veränderung der Eigentümer D.“

Der Beschluss wird angefochten.

 

Entscheidung:

Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht geben der Klage statt und heben den Beschluss auf.

Sondernutzungsrecht

In seiner Begründung weist das Berufungsgericht daraufhin, dass der Beschluss dazu führt, dass den Eigentümern D auf unzulässigem Wege ein (faktisches) Sondernutzungsrecht eingeräumt wird. Ein Sondernutzungsrecht gibt einem einzelnen Eigentümer die Befugnis, bestimmte Bereiche des Gemeinschaftseigentums auf Dauer alleine zu nutzen. Er darf alle anderen Eigentümer von der Nutzung ausschließen.

Dauerhafter Ausschluss der übrigen Eigentümer

Ein Sondernutzungsrecht liegt hier bereits darin, dass die übrigen Eigentümer den Teil der gemeinschaftlichen Fläche, auf dem der Schuppen steht, nicht mehr nutzen können, sondern nur noch die Eigentümer D. Außerdem geht aus der Formulierung des Beschlusses klar hervor, dass nur sie den Schuppen nutzen dürfen, nämlich um ihr Eigentum dort unterzubringen.

Außerdem beanstandet das Gericht, dass die Nutzung nicht zeitlich begrenzt ist, also auf Dauer bestehen soll.

Faktisches Sondernutzungsrecht

Nach Auffassung des Gerichts kommt es nicht darauf an, dass im Beschluss nicht ausdrücklich davon gesprochen wird, dass ein Sondernutzungsrecht eingeräumt wird. Es reicht, dass der Beschluss in seinen tatsächlichen Auswirkungen genau darauf hinausläuft.

(Landgericht Berlin, Beschluss vom 22. Februar 2019, 85 S 15/18)

 

Praxistipp:

Dem Urteil ist zuzustimmen.

Beschlusskompetenz

Ein Sondernutzungsrecht kann nicht durch einen Beschluss, gleich mit welcher Mehrheit, begründet werden. Den Eigentümern fehlt dafür die sogenannte Beschlusskompetenz. Daher ist der gefasste Beschluss nichtig.

Ein Sondernutzungsrecht kann nur durch Abschluss einer Vereinbarung aller Eigentümer entstehen.

 

Nichtiger Beschluss ist unwirksam

Ein nichtiger Beschluss kann nicht in Bestandskraft erwachsen. Er ist von Anfang an unwirksam und damit sowohl für den Verwalter als auch alle Eigentümer unbeachtlich. Er muss also noch nicht einmal angefochten werden. Daher gilt auch die Anfechtungsfrist von einem Monat ab Beschlussfassung nicht. Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Beschlusses kann auch noch danach erhoben werden.

Beschluss über Rauchwarnmelder

Sachverhalt:

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft beschließt, die gemäß der Landesbauordnung vorgeschriebenen Rauchwarnmelder durch eine Fachfirma einheitlich in allen Wohnungen anbringen und zukünftig warten zu lassen. Die Kosten des Einbaus sollen aus der Instandhaltungsrücklage und die Wartungskosten über die Jahresabrechnung finanziert werden. Eigentümer, die bereits solche Geräte in ihren Wohnungen eingebaut haben, verlangen, davon ausgenommen zu werden. Sie fechten den Beschluss an.

 

Urteil:

Der BGH weist die Klage ab. Der Beschluss ist nicht zu beanstanden.

„Ein auf der Grundlage einer entsprechenden landesrechtlichen Pflicht gefasster Beschluss der Wohnungseigentümer über den einheitlichen Einbau und die einheitliche Wartung und Kontrolle von Rauchwarnmeldern in allen Wohnungen durch ein Fachunternehmen entspricht regelmäßig auch dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn er auch Wohnungen einbezieht, in denen Eigentümer bereits Rauchwarnmelder angebracht haben.“

Er weist zunächst darauf hin, dass die Pflicht zum Einbau der Rauchwarnmelder nach der Landesbauordnung zwar den Wohnungseigentümer und nicht die Gemeinschaft trifft. Aber die Gemeinschaft darf diese Pflicht für die Eigentümer wahrnehmen.

Er bestätigt weiter, dass Rauchwarnmelder im gemeinschaftlichen Eigentum und nicht im Sondereigentum der jeweiligen Wohnungseigentümer stehen. Auch hinsichtlich der zukünftigen Wartung und Kontrolle haben die Wohnungseigentümer die Beschlusskompetenz, so dass sie darüber durch einfachen Mehrheitsbeschluss entscheiden können.

Der BGH bewertet die berechtigten Interessen der Eigentümergemeinschaft an einer einheitlichen Regelung gegenüber dem Interesse der Eigentümer, die bereits Rauchwarnmelder installiert haben, von dem Beschluss ausgenommen zu werden, also keine Kosten dafür tragen zu müssen. Rauchwarnmelder dienen der Sicherheit auch des Gebäudes und damit des Gemeinschaftseigentums. Die einwandfreie Funktion der Melder ist Voraussetzung für eine möglichst hohe Sicherheit. Diese einwandfreie Funktion könne am besten sichergestellt werden, wenn einheitlich hochwertige Geräte eingebaut und regelmäßig fachgerecht gewartet werden. Das Überlassen der Auswahl der Geräte und der Wartung den Eigentümern führt zu nicht kontrollierbaren Risiken auch für das gemeinschaftliche Eigentum. Außerdem kann ein Verzicht auf einheitlichen Einbau das Risiko erhöhen, dass die Versicherung im Schadensfall die Deckung versagt, weil z.B. in einer Wohnung keine oder keine funktionierenden Geräte angebracht waren.

Eine einheitliche Regelung diene auch denjenigen Eigentümern, die selbst Rauchwarnmelder angebracht haben. Denn nur so könnten diese Eigentümer sicher sein, dass die Geräte in den anderen Wohnungen auch regelmäßig gewartet werden.

 

Anmerkung:

Das Urteil entscheidet eine umstrittene Frage, die unterschiedlich beantwortet wurde. Es enthält eine umfangreiche Darstellung der unterschiedlichen Interessenlagen, die ausführlich gegeneinander abgewogen werden. Letztlich wird das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit dem – zudem noch geringfügigen – wirtschaftlichem Interesse einzelner Eigentümer übergeordnet.

 

BGH, Urteil vom 07.12.2018¸ AZ: V ZR 273/17

Wohnungseigentum: Muss der Verwalter die E-Mailadressen der Eigentümer herausgeben?

Sachverhalt:

Diverse Eigentümer, u.a. der Beiratsvorsitzende, wollen die übrigen Eigentümer über – aus ihrer Sicht – bestehende Unzulänglichkeiten der Verwaltung informieren. Der Beiratsvorsitzende fordert die Verwaltung auf, ihm eine Eigentümerliste zu übergeben, die auch die E-Mailanschriften enthält. Die Verwaltung legt zwar eine Liste mit den Namen und Adressen der Eigentümer vor, verweigert aber die Herausgabe der E-Mailadressen.

 

Urteil:

Wie schon das Amtsgericht hat auch das LG Düsseldorf die Klage auf Herausgabe der E-Mailadressen abgewiesen. Die Eigentümer haben keinen Anspruch auf Herausgabe dieser Information. Der Verwalter ist jedenfalls aufgrund seines Amts verpflichtet, eine Eigentümerliste zu führen. Aus seinem Verwaltervertrag ergibt sich darüber hinaus die Pflicht, diese Liste auch einzelnen Eigentümern – auf Anfrage – zur Verfügung zu stellen. Die herauszugebende Liste muss die Namen und Postanschriften der Eigentümer enthalten. Jeder Eigentümer hat das Recht zu erfahren, wer zusammen mit ihn noch Mitglied der Eigentümergemeinschaft ist. Das muss nicht erst eine Eigentümerversammlung beschließen. Datenschutz steht nicht dagegen, Name und Postadresse reichen aus, um mit dem Mitglied zu Kontakt aufzunehmen. Es mag zwar technisch fortschrittlich und auch praktischer sein, per E-Mail zu korrespondieren. Das führt aber nicht dazu, dass die Pflichten des Verwalters sich erweitern, so dass er auch noch die E-Mailanschrift herausgeben muss. Eigentümer können durchaus ein Interesse daran haben, ihre E-Mailadresse nicht an einen weiten Personenkreis bekanntzugeben. Denn die Kommunikation per Mail unterscheidet sich „in der Art und Weise, Sorgfalt und Intensität“ von der Kommunikation per Brief. Auch das geltende Datenschutzrecht stärkt das Interesse des Einzelnen auf Selbstbestimmung über seine persönlichen Daten, zu denen auch die E-Mailadresse gehört.

 

Praxishinweis:

1. Das Urteil dürfte auch auf die Frage, ob die Verwaltung verpflichtet ist, Telefonnummern der Eigentümer herauszugeben, anwendbar sein.

2. Auch die Tatsache, dass der Verwalter in der Vergangenheit die Eigentümer per E-Mail informiert und dabei mit einem offenen E-Mailverteiler gearbeitet hat, ändert die Rechtslage nicht. Diese – unzulässige – Verfahrensweise kann nicht dazu führen, dass die Verwaltung dadurch verpflichtet wird, in Zukunft auf Anfrage die von ihr gesammelten E-Mailanschriften der Eigentümer an andere Eigentümer herauszugeben.

3. Der Eigentümer kann sich die E-Mailadressen selbst beschaffen. Er hat das Recht, die Verwaltungsunterlagen einzusehen. Dazu gehört auch der E-Mailverkehr mit den Eigentümern. Auf diese Weise erhält er Kenntnis derjenigen E-Mailadressen der Eigentümer, die der Verwaltung bekannt sind.

Außerdem kann er über die Eigentümerliste mit Namen und Adressen, die die Verwaltung ihm aushändigen muss, selbst Kontakt mit den Eigentümern aufnehmen und um Mitteilung ihrer E-Mailadresse bitten.

 

LG Düsseldorf, Urteil vom 04.10.2018, AZ: 25 S 22/18